Günzburger Verein setzt sich seit 20 Jahren für den Schutz des Regenwalds ein

Günzburger Verein setzt sich seit 20 Jahren für den Schutz des Regenwalds ein

Um diesen Regenwald auf Borneo, der vor Abholzung und Brandrodung bewahrt werden soll, geht es. Naturschützer wollen Teile davon aufkaufen. Der Günzburger Verein Faszination Regenwald möchte durch Geldspenden einen Beitrag zu diesem Vorhaben leisten.
Bild: Linus Kristianto

Ein Günzburger Verein, der sich seit 20 Jahren gegen die Naturzerstörung auf Borneo wendet, will möglichst viele Spenden sammeln, um intakte Flächen im Osten der Insel aufzukaufen. Wie das gelingen soll.

Zu seinem 20-jährigen Bestehen engagiert sich der Günzburger Verein Faszination Regenwald gemeinsam mit seinem langjährigen niederbayerischen Partnerverein Fans for nature und den indonesischen Partnern von CAN-Borneo am Kauf von Regenwäldern im Norden Borneos. „Regenwaldschutz ist wichtiger denn je“, sagt Bernhard Lohr, Vorsitzender des Vereins. Die bestimmenden Themen unserer Zeit, die globale Pandemie, der Klimawandel und ein Artensterben bisher nicht gekannten Ausmaßes haben viel mit der Zerstörung der tropischen Regenwälder zu tun, so Lohr weiter.

Der Günzburger Arzt und Umweltschützer stellt zudem klar, dass Regenwaldschutz auch Schutz für die Menschheit bedeute. Die Corona-Krise macht für ihn deutlich, was passiert, wenn der Mensch immer tiefer in unberührte Gebiete eindringt und so in Kontakt mit für die Menschheit tödlichen Krankheitserregern kommt.

Bei dem Ausmaß an Wilderei, das er seit Jahrzehnten in Borneo erlebt, wundere es ihn, dass es nicht schon viel früher zu Pandemien wie der gegenwärtigen gekommen sei. „In Borneo, der drittgrößten Insel der Erde, ist kaum noch etwas übrig von den ehemals riesigen tropischen Regenwäldern. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ,fünf vor zwölf’ “, sagt Lohr.

Kurt Schweizer: Eine grüne Oase in einem Meer von Verwüstung

„Wir sind froh, dass wir gemeinsam mit Helmut Huber, dem Vorsitzenden von Fans for nature, bei diesem spannenden Projekt mitwirken können“, sagt Kurt Schweizer, einer der beiden weiteren Vorstandsmitglieder von Faszination Regenwald. Schweizer war vor Ort und hat sich das Waldgebiet rund um das Dorf Merasa (Provinz Ostkalimantan) mit eigenen Augen angeschaut: „Bei diesem noch circa 3000 Hektar großen Waldgebiet handelt es sich um eine grüne Oase in einem Meer von Verwüstung“, berichtet Schweizer.

So sieht der Raubbau an der Natur aus der Luft aus. Vor einiger Zeit stand hier noch intakter Regenwald.
Bild: Kurt Schweizer

„Man fährt stundenlang durch Palmölplantagen und vorbei an Kohleminen, um an diesen Rückzugsort für die so einmalige Tier- und Pflanzenwelt Borneos zu kommen. Wir sind glücklich, dass wir unsere Partner vor Ort in einem ersten Schritt mit 10.000 Euro unterstützen können, um Regenwaldflächen aufzukaufen. Wir konkurrieren mit den großen Palmölplantagen-Besitzern, denn diese kaufen den Dorfbewohnern ihre letzten Waldgebiete ab. Da müssen wir dagegenhalten, sonst sind auch diese letzten intakten Regenwälder in besagter Region Borneos für immer verloren“, führt Schweizer aus. „Der Klimawandel wird uns nicht nur ein-, sondern bald überholen, wenn wir nicht radikal umsteuern, sagt Birgit Fahr, die mit Schweizer und Lohr den Vorstand von Faszination Regenwald bildet. „Ein konsequenter Schutz der weltweiten Wälder und insbesondere der tropischen Regenwälder als globale Kohlenstoffsenker ist unverzichtbar, wollen wir den Klimawandel noch aufhalten.“

Umweltschützer aus Günzburg und Offingen leisten Beitrag zum Erhalt des Regenwalds

Dank der langjährigen Unterstützer und Förderer „sind wir glücklich, dass wir einen kleinen Beitrag zum Erhalt des Regenwalds leisten können“, sind sich die drei Umweltschützer aus Günzburg und Offingen einig. Mit zehn Hektar geht es los. „Dann wollen wir auf 20 Hektar aufstocken. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Lohr. Ein Hektar Regenwald kostet aktuell um die 1500 Euro. (zg)

https://www.augsburger-allgemeine.de/guenzburg/Guenzburger-Verein-setzt-sich-seit-20-Jahren-fuer-den-Schutz-des-Regenwalds-ein-id59363891.html

 

Spiegel online: Uno-Bericht zur Landwirtschaft

Spiegel online: Uno-Bericht zur Landwirtschaft

Uno-Bericht zur Landwirtschaft
Fleischkonsum ist der größte Feind der Natur
Laut einem Uno-Bericht muss sich die Menschheit jetzt von ihrem immensen Fleischverzehr verabschieden, um den weltweiten Verlust an Tierarten und Ökosystemen zu stoppen. Demnach bleibt nur eine Alternative.
04.02.2021, 11.49 UhrIntensive Rinderzüchtung in Südamerika führt zum Abholzen von Regenwald und damit nicht nur zum Klimawandel, sondern auch zum Verlust von Tier- und Pflanzenarten.Intensive Rinderzüchtung in Südamerika führt zum Abholzen von Regenwald und damit nicht nur zum Klimawandel, sondern auch zum Verlust von Tier- und Pflanzenarten. Foto: Martin Harvey / Getty Images

Um es gleich vorwegzusagen: Ein Bio-Steak allein reicht nicht für die Weltrettung. Jedenfalls nicht, wenn es täglich gegessen wird. Der Fleischkonsum ist laut einer aktuellen Studie der weltweit größte Naturzerstörer und dazu gehört auch Biofleisch. Nur mit mehr pflanzlicher Ernährung kann der dramatische Verlust an Biodiversität und ökologisch sensiblen Lebensräumen aufgehalten werden, so ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht von Unep und der Denkfabrik Chatham House.
Die weltweite Fleischindustrie und intensive Landwirtschaft sei zum Haupttreiber dieser Naturzerstörung geworden. Nie sei der Verlust von Lebensräumen und biologischer Vielfalt so dramatisch gewesen wie in den vergangenen 50 Jahren. Grund ist die Umwidmung natürlicher Ökosysteme für die Futtermittelproduktion oder Weideland.
Problematisch ist vor allem die intensivere Landwirtschaft, die auf Pestizide und Monokulturen setzt. Damit würden die Böden dauerhaft zerstört, was wiederum zu noch mehr Umwidmung von natürlichen Landflächen führe. Für die Produktion von Fleisch würden zudem große Mengen fossiler Energie, Dünger und Wasser gebraucht. Befeuert werde das durch den Trend von immer mehr Billig-Lebensmitteln.
Die Leidtragenden seien dann Vögel, Säugetiere, Insekten und mikrobielle Organismen, die ihren Lebensraum verlieren. Auch den Klimawandel heizt diese Art der Nahrungsmittelherstellung an. Rund 30 Prozent der von Menschen produzierten Treibhausgasemissionen stammten aus der Landwirtschaft.

(Der SPIEGEL-Klimabericht – Die neuesten Entwicklungen, Forschungsergebnisse und Hintergründe zur Klimakrise als Newsletter: jede Woche direkt in Ihr Mail-Postfach. Jetzt anmelden.)

Bei der Fleischproduktion wurden bisher vor allem die negativen Effekte für den Klimawandel diskutiert. Das Artensterben und kaputte Böden stehen dabei oft im Hintergrund. Bereits im Oktober vergangenen Jahres wies ein Bericht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) darauf hin, dass auch in Deutschland knapp ein Drittel aller Säugetierarten gefährdet sind. Schuld daran ist auch hierzulande die intensive Landwirtschaft.

Mehr Gemüse statt Steak und Chickenwings
Deshalb müsste mehr pflanzliche Kost gegessen werden, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Er rät auch dazu, Landflächen besser zu schützen und die Landwirtschaft umweltfreundlicher zu machen. »Die intensive Haltung von Milliarden von Tieren weltweit fügt der Umwelt ernsthaften Schaden zu«, warnte die Primatenforscherin Jane Goodall.
Ohne ein Umsteuern werde sich der Verlust von Biodiversität beschleunigen, warnen die Autoren des Berichtes. Bei weiterer Zerstörung der Ökosysteme sei letztendlich auch die Ernährung der Bevölkerung in Gefahr.
Eine Veränderung der Essgewohnheiten hat aber noch einen anderen, entscheidenden Vorteil: In Zukunft könnte auch das Risiko von Pandemien sinken, wenn mehr Lebensräume und wilde Tiere unangetastet blieben. »Zu einer Zeit, in der ein großer Teil der Welt weiterhin gegen die Covid-19-Pandemie ankämpft, war es noch nie so offensichtlich, dass das Wohlbefinden von Menschen und Tieren, von wilden und Nutztieren, verflochten ist«, sagte Philip Lymbery, Chef der Organisation Compassion in World Farming.

43 Millionen Hektar tropischen Regenwalds zerstört

43 Millionen Hektar tropischen Regenwalds zerstört

Spiegel online vom 13.01.2021

Satellitendaten43 Millionen Hektar tropischen Regenwalds zerstört

Aufnahmen aus dem All zeigen das Ausmaß der Zerstörung: Weltweit wurden in den vergangenen Jahren riesige Flächen Regenwald vernichtet – vor allem durch Brandrodungen. Das birgt gleich zwei Gefahren.

Regenwald in Brasilien nach Brand (Archivfoto vom August 2020)

Regenwald in Brasilien nach Brand (Archivfoto vom August 2020) Foto: CARL DE SOUZA / AFP

43 Millionen Hektar tropischen Regenwalds sind nach Berechnungen der Umweltorganisation WWF in den vergangenen Jahren allein in 24 besonders stark betroffenen Gebieten zerstört worden. Das gehe aus Satellitendaten von 2004 bis 2017 hervor, teilte der WWF am Mittwoch in Berlin mit. Den größten Verlust gebe es im Amazonas in den Ländern Brasilien, Kolumbien, Peru, Bolivien, Venezuela und Guyana mit 18,3 Millionen Hektar. Zur Einordnung: Die Fläche Deutschlands beträgt 35,7 Millionen Hektar.Der WWF betonte, dass auch Verbraucher in Deutschland eine Mitschuld an der Entwaldung trügen.

»Für den Anbau von Futtermittelsoja, Kakao und Rindfleisch, das in die EU importiert wird, wird oft Wald vernichtet. Rund ein Sechstel aller in der EU gehandelten Lebensmittel tragen zur Entwaldung in den Tropen bei«, heißt es in der Mitteilung. »Statt nur mit dem Finger auf Regierungen und Landwirte in Entwaldungshotspots zu zeigen, müssen wir uns ebenfalls an die eigene Nase fassen«, sagte die Programmleiterin Wald beim WWF Deutschland, Susanne Winter.

Weiter erklärte sie, dass Regenwälder eine Gesundheitsvorsorge für Mensch und Natur seien. Beispielsweise speicherten sie Kohlenstoff und seien ein wichtiger Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten. »Wir müssen daher dringend die Entwaldung aufhalten, sonst stoppt das Leben, wie wir es kennen«, wurde Winter zitiert.

 

 

 

„Intakte Natur ist ein Schutzwall gegen neue Pandemien“ Interview mit Dr. Dr. Bernhard Lohr

„Intakte Natur ist ein Schutzwall gegen neue Pandemien“ Interview mit Dr. Dr. Bernhard Lohr

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Bernhard Lohr im Jahr 2013 mit einem „Waldmenschen“. Das ist die Übersetzung der malaiischen Bezeichnung Orang-Utan. Lohr drehte damals mit dem Schauspieler Michael Mendl einen Film, der die Zerstörung des Lebensraums dieser Menschenaffen anprangert. Von Mendl, der heute seinen 76. Geburtstag begeht, stammt auch dieses Foto. Es ist in einem Nationalpark entstanden, in dem Orang-Utans ausgewildert werden.

„Intakte Natur ist ein Schutzwall gegen neue Pandemien“

Interview Die ökologischen Verwerfungen, die die Ausbreitung des Coronavirus erst ermöglicht haben, kommen in der hektischen Diskussion um Impfstoffe und Hygieneregeln unter die Räder. Das meint der Günzburger Biologe und Arzt Bernhard Lohr. Höchste Zeit also, darüber zu sprechen

Herr Lohr, seit über 20 Jahren setzen Sie sich für den Schutz tropischer Regenwälder ein mit dem Ziel, vor allem einen Beitrag zum Erhalt der globalen Artenvielfalt zu leisten. Nun scheint die Menschheit von den Folgen der Plünderung eingeholt zu werden, denn eine Vermutung lautet, dass dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 in den sogenannten Wet-Markets der chinesischen Stadt Wuhan der Übertritt vom Tier auf den Menschen gelungen ist.

Bernhard Lohr: Meine Motivation für den Schutz der Vielfalt des Lebens auf der Erde entspringt vor allem der Faszination für den Prozess der Evolution, also der Entstehung des Lebens. Nur hier auf diesem kleinen Planeten, einer unter Milliarden im Universum, ist aus unbelebter Materie Leben entstanden. Das an sich ist schon unglaublich, aber noch viel unfassbarer ist, welche ungeheure Vielfalt aus den ersten Anfängen des Lebens vor circa vier Milliarden Jahren entstanden ist. Mir tut es in der Tat um jede Art weh, die verschwindet, weil wir Menschen ihren Lebensraum vernichten. Mit jeder ausgestorbenen Art verschwindet ihr einzigartiger Genpool – und das für immer. Dass dadurch der Menschheit ungeahnte Wirkstoffe für neuartige Medikamente, neue Nahrungspflanzen oder sonstige wertvolle Inhaltsstoffe verloren gehen, kommt für mich erst an zweiter Stelle. Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Hätte man erwarten können, dass eine durch Zoonosen übertragene Infektionskrankheit in einer Pandemie mit solcher Wucht auf die Menschheit zukommt, dann lautet die Antwort: Ja, man hätte es wissen können. Natürlich nicht den genauen Zeitpunkt, aber es gibt genügend Beispiele für Erreger, denen der Übergang vom Tier auf den Menschen gelungen ist, wodurch Pandemien ausgelöst wurden. Und es gab auch hochrangige warnende Stimmen. Bereits 2009 wurde im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht, dass sich der Übergang von ansteckenden, epidemischen Krankheiten vom Tier auf den Menschen in den vergangenen 40 Jahren verdreifacht hat. Im Jahr 2007, als gerade die erste Sars-Epidemie überstanden war, warnten Forscher aus Hongkong vor der Tatsache, dass Fledertiere ein großes Reservoir an Viren in sich tragen und der Tradition im südlichen China, exotische Säugetiere zu essen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis diese „Zeitbombe“ hochginge. Auch unser Verein Faszination Regenwald hat bereits im Jahr 2002 in Günzburg und in Ulm eine Veranstaltung zu dieser „Bushmeat-Thematik“ gemacht. Unser damaliger Hauptredner Dr. Johannes Refisch, heute Leiter des Menschenaffenprogramms bei den Vereinten Nationen, hat damals unter anderem ausgeführt, dass der ungehemmte Verzehr von Wildfleisch auch das Risiko für die Übertragung von Krankheitserregern von Wildtieren auf den Menschen deutlich erhöht.

Als Biologe und Arzt haben Sie sich mit Vorgängen in der Natur und auch mit Krankheiten auseinandergesetzt. Können Sie uns den Begriff der Zoonose erklären und deutlich machen, wie es dadurch zum Ausbruch von Infektionskrankheiten kommen kann?

Lohr: Zoonosen sind nichts anderes als vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragene Infektionskrankheiten. In Fledermäusen hat man 200 unterschiedliche Viren gefunden, die diese Säugetiere allerdings nicht krank machen. Simone Sommer, Professorin für Tierökologie an der Universität Ulm, erklärt dies unter anderem dadurch, dass Fledermäuse evolutionär schon immer unter einem hohen Selektionsdruck standen und dadurch ein sehr effizientes Immunsystem ausgebildet haben. Das menschliche Immunsystem ist an diese Erreger nicht angepasst und reagiert dann oft mit überschießenden Reaktionen, die bis zum Tod des Patienten führen können. In ihren Studien an Fledermäusen und Nagetieren in Panama konnte Frau Sommer auch nachweisen, dass Umweltzerstörung und der dadurch verursachte Verlust an Artenvielfalt die Infektionswahrscheinlichkeit von Wildtieren auf den Menschen und umgekehrt steigen lässt.

Können Sie uns erklären, woran dies liegt?
Lohr: In intakten Regenwäldern kommt es nicht zur Massenvermehrung von Tierarten, die einzelnen Arten halten sich sozusagen gegenseitig in Schach. Kommt es zu Wald- zerstörungen, kommen einzelne Tierarten damit besser zurecht und vermehren sich massenhaft und mit ihnen auch ihre Erreger. Durch die Wilderei und die Wildtiermärkte kommen sich Mensch und Erreger immer näher und die heutige, nahezu unbegrenzte Mobilität sowie riesige Menschenansammlungen in den urbanen Zentren dieser Welt begünstigen natürlich das Entstehen von Pandemien. Kurz gesagt: Bevölkerungswachstum, Naturzerstörung, Artensterben und der globale Klimawandel begünstigen Zoonosen, sprich die Übertragung von Krankheitserregern von Tieren auf den Menschen. Die beiden renommierten Umweltforscher Joachim Spangenberg und Josef Settele bringen es auf den Punkt, indem sie deutlich machen, dass die Wahrscheinlichkeit von Pandemien mit zunehmender Vernichtung von Ökosystemen und Verlust an Biodiversität steigt, zudem die große Mehrheit der Krankheitserreger noch gar nicht bekannt ist.

Wilderei und Wildfleisch-Märkte sind in Europa kein Thema. Können wir uns dementsprechend freisprechen von der Verantwortung der globalen Pandemie?

Lohr: Die größte Pandemie der jün- geren Menschheitsgeschichte, die Spanische Grippe vor rund 100 Jah- ren mit geschätzt mehr als 50 Millionen Toten, ist von einem Influenza- Erreger ausgegangen, der nach den derzeitigen Erkenntnissen vom Schwein auf den Menschen übergegangen ist, was auch bei der Schweinegrippe-Epidemie im Jahr 2008 mit ungefähr 18 000 Toten der Fall war. Nicht umsonst sieht der bekannte Virologe Christian Drosten den Fleischhunger der Menschheit und die Massentierhaltung in einer Schlüsselrolle bezüglich von Zoonosen.

Wäre eine Alternative die Forderung des US-amerikanischen Wissenschaft- lers Professor Scott Galloway, die Fledermausbestände zu limitieren? Der nächste Schritt wäre die Ausrottung, damit diese Säugetiere als Reservoir für Krankheitserreger ausfallen.

Lohr: Nicht nur, dass ich die Forderung, Lebensformen nur zum eigenen, also zum vermeintlichen Wohle der Menschheit, stark zu dezimieren, für höchst unmoralisch halte, so offenbart diese Forderung genau jenes Denkmuster, das zutiefst meiner und der Überzeugung unseres Vereins widerspricht: Die Erde ist nicht nur für die Art Homo sapiens da. Wir Menschen sind auch nicht die Krönung der Evolution, sondern eine von geschätzt zehn Millionen auf unserem Planeten vorkommen- den Arten – wenn auch eine Art, der eine ganz besondere Verantwortung zukommt. Unabhängig davon müsste man dann nicht nur Fledermäuse konsequenterweise ausrotten, sondern viele weitere Tiergruppen ebenso. Es waren bislang vor allem Vögel, Nagetiere oder Primaten und – nicht zu vergessen – Insekten, die die meisten großen Pandemien ausgelöst haben. Wollten wir diese Tiere alle ausrotten, was natürlich rein technisch gar nicht machbar wäre, so würde es in Folge für uns Menschen dann doch ziemlich einsam werden auf diesem Planeten. Die Forderung muss also genau anders herum lauten: Wir müssen der Natur wieder mehr Raum lassen, wir müssen aufhören, in die letzten noch intakten Naturräume der Erde einzudringen. Wir müssen vermeiden, dass wir in Kontakt mit Krankheitserregern kommen, auf die unser Immunsystem keine Antwort hat. Wir müssen aufhören, durch massenhaften Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung antibiotikaresistente Keime zu züchten, durch die in Europa jährlich circa 33 000 Menschen ihr Leben verlieren. Es wird höchste Zeit, dass wir den Umgang mit unseren Mitgeschöpfen überdenken, wenn schon nicht aus Mitgefühl, dann wenigstens aus Eigennutz.

Und wenn das nicht geschieht?

Lohr: „Wenn wir so weitermachen, sterben wir aus.“ So formuliert es der Botanik-Professor Stefano Manusco, nachzulesen in einem aufschlussreichen Interview mit der Augsburger Allgemeinen vor gut einer Woche. Mehr Eigennutz als den Erhalt unserer Art zu sichern, geht nicht. Das ist aus seiner Sicht nur möglich, wenn wir Menschen verstehen, dass der Homo sapiens ein Teil der Natur ist. Unser Leben als Spezies ist nur garantiert, wenn das Überleben anderer Arten sicher ist.

Was ist dann aus Ihrer Sicht zu tun?

Lohr: Um das Risiko für weitere Pandemien zu minimieren, gilt es in erster Linie, nicht weiter in noch intakte Naturräume vorzudringen, damit Tiere ihre natürlichen Rückzugsräume behalten. Eine intakte Natur ist ein Schutzwall gegen neue Pandemien. Aus meiner Sicht reicht es aber nicht, nur mit dem Finger auf China oder Afrika zu zeigen und dort Wildtiermärkte zu verbieten, was natürlich unzweifelhaft sinnvoll wäre. Die Diskussionen rund um das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ haben gezeigt, in welch erbarmungswürdigem Zustand auch die Natur vor unserer eigenen Haustüre ist. Unsere Umweltministerin Svenja Schulze hat es auf den Punkt gebracht, indem sie sagt: „Die Naturschutzkrise ist die Krise hinter der Corona-Krise.“ Damit hat sie natürlich völlig recht. Und deshalb gilt es, unabhängig von den Maßnahmen, die derzeit zum Schutz der Bevölkerung ergriffen werden, grundlegende Änderungen in der Agrar- und Umweltpolitik vorzunehmen. Aus meiner Sicht muss der Schutz von natürlichen Lebensräumen bei uns, in den Tropen und in den Weltmeeren oberste Priorität bekommen.

Interview: Till Hofmann
Bernhard Lohr, 56, ist promovierter Biologe und Humanmediziner. Er wohnt in Günzburg und praktiziert in der Rheumaklinik Oberammergau. Lohr zieht als Kommunalpolitiker für die Grünen sowohl in den neuen Günzburger Stadtrat als auch in den Kreistag ein.

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Vieles deutet darauf hin, dass der Ursprung der Corona-Pandemie der Huanan Wet-Market in Wuhan war. Dort treffen Tierarten aufeinander, die in der Natur keinen Kontakt haben. Das Symbolfoto stammt allerdings aus der südchinesischen Stadt Yulin – dort wurde im Juni 2016 ein Hundefleisch-Festival gefeiert. Foto: Wu Hong/dpa

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Klimaschützer schimpfen oft über den Energie- und Verkehrssektor, wenn es um die Erderwärmung geht. Dabei ist es vor allem die Welternährung, die alle Bemühungen zum Klimaschutz zunichtemachen könnte.
Rinderzucht in den USA
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Foto: Martin Harvey / Getty Images

 

 

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klima-studie-warum-unsere-ernaehrung-ein-problem-ist-a-8954fdda-2fa6-428b-9fd7-690654fed1bc