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Ein Tierschützer berichtet, wie die Heimat der Orang Utans „brachial zerstört“ wird

Ein Orang-Utan klettert zwischen Bäumen im Tanjung Puting National Park in Kalimantan auf Borneo. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden auf der Insel zur Gewinnung von Palmöl 70.000 Hektar Regenwald gerodet. Foto: Barbara Walton/EPA

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Der Lebensraum von Orang Utans wird immer weiter zerstört.
Bild: Barbara Walton/EPA (dpa)

Der Verein Faszination Regenwald hat einen bedeutenden Orang-Utan-Schützer nach Günzburg eingeladen. Warum die Tiere so leiden müssen und wie sie geschützt werden können.

Es bedurfte starker Nerven um zu ertragen, was da dem Publikum im Sportheim Wasserburg vor Augen geführt wurde. Einem Publikum, das „zum Regenwalderfahrendsten im weiten Umkreis gehört“, wie es Tropenbiologe und Vereinsvorsitzender Dr. Bernhard Lohr formulierte. Geladen hatte er zum Vortrag über das Thema „Creating a good life for Orang Utans“ einen hochkompetenten Gast.

Einen „wie es keinen Zweiten gibt“, nämlich den Gründer und Leiter der renommierten Orang-Utan-Schutzorganisation COP, Hardy Baktiantor, der auch an der momentan stattfindenden europäischen Weltklimakonferenz teilnimmt.

Regenwald wird für Palmöl gerodet

Weiter eingeladen war Helmut Huber, Vorsitzender des niederbayerischen Partnervereins „Fans for Nature“, der persönliche Erfahrungen über die bedrohliche Situation im Regenwald von Borneo beisteuern konnte. Mit drastischen Tatsachen über Zerstörung und Leid konfrontierte Lohr in seiner Vorrede die Zuhörer. Brachte, im Zusammenhang mit dem derzeitigen Flammeninferno in Brasilien, die 72000 Brände im Amazonasgebiet (eine Steigerung um 83 Prozent gegenüber dem Vorjahr) zur Sprache, die 700000 Quadratkilometer Wald, die seit den 70er Jahren in Brasilien gerodet wurden, um Platz für Palmöl, Sojaindustrie und vierfach gesteigerten Rinderexport (allein im letzten Jahr 215 Millionen Tiere im Gegenwert von 6,5 Milliarden Dollar) zu schaffen.

Daneben noch die im Hintergrund betriebene Goldwäscherei im Amazonasgebiet mit rund 200000 illegalen Minen und Gruben. Neben der „brachialen Zerstörung ihres Lebensraumes“ droht, wie Helmut Huber berichtete, den vom Aussterben bedrohten Tierarten, wie dem Orang-Utan, eine weitere Gefahr: Wenn er sich, in seiner angestammten Region, auf die Suche nach Palmfrüchten macht, oder in bereits abgeholzten Teilen nachwachsende Triebe als Nahrung verwendet, kann er gejagt und getötet werden.

Dorfbewohner fangen die Affen ein und halten sie als Haustiere

Zudem fangen sich Dorfbewohner in der Nähe von Plantagen gerne junge Äffchen als Haustiere ein, oder gar als Kinderersatz. Für Profijäger ist es eine hochlukrative Einnahmequelle. Gelingt ihnen nämlich ein illegaler Export nach Europa, winken, so Huber, bis zu 40000 Euro als Lohn. Bei seiner letzten Reise traf er auf das Äffchenbaby Alois – verletzt, zerschunden, gefangen in einer engen Kiste, allein, ohne Mutter. (Lesen Sie über die Rettung eines Orang-Utan-Babys: Was dieses Orang-Utan-Baby mit Offingen verbindet ) Die wurde erbarmungslos getötet. „Emotionen sind in dem Job nicht unbedingt hilfreich“, so sein Kommentar. Er konnte das Baby an sich nehmen und im COP- Rettungszentrum vor dem sicheren Tod bewahren.

Die Zukunft der Orang-Utans, deren Erbgut zu über 97 Prozent dem Erbgut eines Menschen gleicht – deshalb der Name Waldmensch – , ist, erklärte Umweltaktivist Baktiantor, zum Großteil wegen Regenwaldabholzung für Palmöl höchst gefährdet. Deshalb sei seine Organisation bemüht, mit der Regierung zu einer gesetzlich geregelten Nachhaltigkeitsvereinbarung zu kommen.

Leichter gesagt als getan. Die allmächtige Palmölindustrie nämlich versuche vielfach, durch Finanzierungshilfen an Umweltschutzorganisationen eine „Schweigegeldlösung“ zu erreichen. Für ihn, so betonte Baktianor unmissverständlich, komme aber solch ein Abkommen nicht infrage. Er sei für die konstruktive Öffentlichmachung eines Umweltschutzprogrammes, mit dem großen Traum einer 53000 Hektarfläche Schutz- und Lebensraum.

In der „Waldschule“ werden verletzte Tiere gesund gepflegt

Einem Ort der Zuflucht, auch für seine „Waldschule“, in der eingelieferte Jungtiere auf eine Wiedereingliederung in den Urwald vorbereitet werden, für sein Rettungszentrum, in dem verletzte, verbrannte, versklavte oder verhungernde Menschenaffen gesund gepflegt werden können. Nicht immer gelingt dies.

Schockierende Bilder zeigen eine brutale Wirklichkeit, wie sie für den Betrachter nur schwer zu ertragen ist: erbarmungslos gejagte Wesen mit gebrochenen Gliedmaßen, abgehackten Fingern, klaffenden Kopfwunden, angeschossenen Körperteilen, ausgezehrter Unbarmherzigkeit. Ergebnis eines ökologischen Desasters, „ausgehend aus einer der reichsten Regionen auf dem Planeten“. Der Grund für das Leid und die Regenwaldrohdung – darin waren sich alle Beteiligten einig – ist, neben der Rinderzucht, vor allem die Produktion von Palmöl, das in enorm vielen Nahrungsmitteln, in Kerzen, Reinigungsmitteln, Kosmetik, auch in Biosprit enthalten ist. Genaugenommen in jedem zweiten Supermarktprodukt.

Die abschließende Diskussion mit den Zuhörern brachte es auf den Punkt: Orang-Utans würden für Palmöl sterben. Doch was können die Menschen tun? Die Meinungen waren so vielfältig wie die Möglichkeiten gering. Packungsinformation lesen: weniger im Supermarkt, dafür mehr frische Waren kaufen und sich in Umweltschutzorganisation engagieren.

Die nächste Veranstaltung der Reihe „Quo vadis Leben?“ findet am Samstag, 28. September, im Sportheim Wasserburg statt. Es gibt eine Podiumsdiskussion zum Thema globales Artensterben. Beginn ist um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.